Sieg über die "Geißel" Pulsuhr
ein Wort, das aus dem Mund von Angela Kühnlein noch viel verheißungsvoller klingt als der allgemeine Traum vom fernen Urlaubsparadies. Mit Erholung hat das Ziel ihrer Wünsche allerdings wenig zu tun. Die 23-Jährige fliegt im Oktober zur Teilnahme am weltberühmten Ironman nach Hawaii - schon allein die Qualifikation ist für ihr Alter eine beeindruckende Leistung.
Große Freude ja, aber Stolz? Die Schwarzenbacherin zuckt die Schultern und bleibt realistisch nüchtern wenn es um ihre Zukunft geht. «Mal schauen, wie weit ich komme. Ich möchte mich schon mit den Profis messen können«, antwortet sie auf die Frage nach ihren Erwartungen. Lachend fügt sie hinzu: «Und Spaß haben.«
Die Physiotherapeutin hat einige anstrengende Monate mit intensiviertem Training vor sich. Dabei hört sich ihr «normales« Pensum, das ihr Trainer Matthias Fritsch aus Roth aufstellt, schon ganz ordentlich an. «In einer Belastungswoche kommen circa 40 Stunden zusammen.« Am meisten trainiert die 23-Jährige auf dem Rad, oft auch gemeinsam mit ihrem Freund Werner Weimann aus Höchstadt - viel Zeit für andere Hobbys bleibt da nicht und nicht selten fällt sie nach einem harten Trainingstag am Wochenende abends todmüde ins Bett. «Dabei habe ich echt Glück, mir die Arbeit in der Praxis in Erlangen ganz gut einteilen zu können.«
Ihrem Heimatverein TSV Höchstadt ist Angela Kühnlein nach wie vor über ein Zweitstartrecht stark verbunden, obwohl sie mittlerweile hauptsächlich für das Bundesligateam des TV 48 Erlangen antritt. Die Schilderung ihres sportlichen Wegs hört sich an wie eine Geschichte von Zufällen: Zehn Jahre lang konzentrierte sich die sehr natürlich wirkende Sportsfrau auf Synchronschwimmen in Höchstadt, als sie vor rund sechs Jahren an einem Laufprogramm des Fitnesscenters «Injoy« in Lonnerstadt teilnahm. «Da bin ich in alten Basketballschuhen gelaufen und hab’ am Ende gleich meinen ersten Wettkampf gewonnen.«
Wenige Wochen später absolvierte sie mit einem geliehenen Fahrrad einen Triathlon in Neustadt/Aisch - und siegte aus dem Stegreif. Von da an trainierte sie parallel Synchronschwimmen und Triathlon, bis sie in den Kader für die Kurzdistanz aufgenommen und beides zeitmäßig unvereinbar wurde. Am Wochenende viele Lehrgänge, dazu die Wettkämpfe, ganz nebenbei noch die Ausbildung.
Das Training streng nach Pulsuhr gefiel ihr irgendwann nicht mehr. «Die war wie eine Geißel für mich. Dann habe ich mich davon befreit und einfach auf meinen Körper gehört.« Heute kann sie sagen, dass es die richtige Entscheidung war, auch wenn der erste Ironman im vergangenen Jahr in Zürich nicht besonders gut lief: «Das war vorher absehbar, ich war einfach nicht fit.«
Umso zufriedener ist sie natürlich mit dem Ironman Europe Anfang Juli in Frankfurt, den sie (wie berichtet) mit 10:03:35 Stunden in der Klasse der 18- bis 24-Jährigen gewann und damit das Ticker für Hawaii löste. Dort fällt am Morgen des 11. Oktober wieder der Startschuss zu einem der schwierigsten Ausdauerwettkämpfen der Welt: 3,86 Kilometer Schwimmen aufs offene Meer hinaus und zurück, gut 180 Kilometer Radfahren und ein Marathon zurück.
Angela Kühnlein will voraussichtlich schon zehn Tage vorher gemeinsam mit dem Höchstadter Siggi Grau, der sich ebenfalls qualifiziert hat, und vielleicht noch ihrem Freund anreisen. Das Klima und vor allem die Hitze sind gewöhnungsbedürftig auch die Zeitumstellung muss erst einmal verdaut sein («Ich bin noch nie länger als zwei Stunden geflogen«).
Gut wäre es schon, vorher noch an «einigen richtigen Bergen« trainieren zu können, meint sie. Aber die Einladung zu einem Trainingscamp auf Lanzarote kann sie aus finanziellen Gründen nicht annehmen. «Ich bin halt kein Profi, Arbeit muss sein.« Das klingt nicht frustriert. «Ich liebe meinen Beruf, und mein Chef unterstützt mich sehr.«
Das sagt sie auch von ihren Eltern, die anfangs nicht viel vom Triathlon hielten: «Aber mittlerweile sind sie begeistert.« Sie selbst ist überzeugt, dabei bleiben zu wollen. Die Aufnahme in den Kreis hoffnungsvoller Nachwuchsathleten speziell für die Langdistanz ist noch nicht sicher: «Aber eigentlich habe ich ganz gute Chancen.«
Andrea Rudolph